Dr. Thomas Macho (Univ.-Prof. i.R.)
Direktor des IFK
Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften |
Kunstuniversität Linz in Wien
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 Carmen-Variationen



Wenn Sie auf diesen Text verweisen möchten:
Carmen - Variationen, in: Carmen. Programmheft der Deutschen Staatsoper Berlin, Berlin (Deutsche Staatsoper) 2004, 24-34.

von Thomas Macho



Kreativ war die Moderne in Wissenschaften, Künsten und Techniken; dagegen hat sie – im Vergleich mit ihren vielfältigen Versuchen, alte Mythen wiederzubeleben – nur wenige neue Mythen hervorgebracht. Zu diesen neuen Mythen gehört »Carmen«, eine Erzählung, die den Vergleich mit antiken und mittelalterlichen Stoffen – von Orpheus und Eurydike bis Tristan und Isolde – ebensowenig zu scheuen braucht wie den Vergleich mit Faust oder Don Juan.

Dabei fällt es gar nicht leicht, die mythischen Motive der »Carmen« auf den ersten Blick zu erkennen. Die Rahmenhandlung der Novelle Mérimées – sie wurde ursprünglich publiziert in der »Revue des Deux Mondes« vom 1. Oktober 1845 – drängt den Erzähler als Wissenschaftler und Reiseschriftsteller in den Vordergrund. Einleitend figuriert er als Geograph und Übersetzer, als Historiker und Archäologe, im Schlußkapitel als Sprachforscher und Ethnologe. (Das Schlußkapitel hatte Mérimée erst für die Buchausgabe von 1847 hinzugefügt, angeblich um die Vorwürfe des Amoralismus zu widerlegen.) Doch gegen alle Spuren einer bunten »espagnolade«, gegen exotische Folklore und Zigeuner-Klischees, behauptet sich die Erzählung des Don José aus Navarra, im Zentrum der Novelle. Sie schildert die Unausweichlichkeit und Ausweglosigkeit einer Beziehung zwischen zwei Charakteren, die einander weder vermeiden noch überwinden können.

Erst die Oper Bizets läßt Don José tendenziell als Schwächling – und Carmen als dämonische Kokotte – erscheinen. Mérimées Geschichte erinnert dagegen in ihrer Geradlinigkeit und ihrem Tempo an eine antike Tragödie (und eigentlich nicht an das Libretto für eine »opera comique«). Die beiden Personen stoßen buchstäblich aufeinander; die Blüte, die Carmen dem Wachoffizier bei ihrer ersten Begegnung ins Gesicht wirft, trifft ihn – wie eine Kugel – zwischen den Augen. Aus dem Wechselspiel zwischen Zufällen und den unbedingten Imperativen des Begehrens bildet sich das Schicksal: vorhersehbar durch Orakelsprüche, aber nicht korrigierbar – kein heroisches Fatum der Liebe oder der Natur (wie Nietzsche behauptete), sondern ein Fatum der Herkunft.

Aus dem Fatum der Herkunft, der Genealogie, schlugen die griechischen Tragödien ihr Feuer. Die Abstammung – die Bindung an die Regeln der Verwandtschaft, des Inzestverbots, der Blutrache, der Totenbestattung – zwingt Ödipus zu Blendung und Verbannung, zwingt Orest zum Muttermord, zwingt Antigone zum tödlichen Widerstand gegen das Gesetz Kreons. Dem Schicksal der Genealogie beugen sich selbst die Götter. So ähnlich verhält sich auch Carmen, zumindest in der Novelle. Sie duldet keine Einschränkung ihrer Freiheit – der Freiheit zu gehen, wann sie will, und der Freiheit zu lieben, wen sie will –, doch sie akzeptiert das vaterrechtliche Stammesgesetz, das ihrem Mann, dem »Rom«, erlaubt, sie zu töten, wenn sie ihm untreu ist: »Als mein Rom hast du das Recht, deine Romi zu töten, aber Carmen wird immer frei sein. Als Calli wurde sie geboren, als Calli wird sie sterben.« [125]

Als »Calli«, als Zigeunerin, warnt sie ihren baskischen Liebhaber schon bald, er möge sich hüten vor ihrer Liebe. Und sie spricht nicht von jener Dynamik des Begehrens, die in Novelle wie Oper mit dem vulgärpsychologischen Bild von der Katze illustriert wird, die nur kommt, wenn sie nicht gerufen wird, sondern rekurriert neuerlich auf das Gesetz. »Weißt du, mein Sohn, ich glaube, ich liebe dich ein bißchen. Aber das wird nicht halten. Hund und Wolf halten es nicht lange miteinander aus. Vielleicht, wenn du zum Zigeunerrecht (»loi d'Egypte«) wechselst – vielleicht würde ich dann gern deine Romi. Aber das sind Dummheiten, daraus wird nichts.« [77]

Carmen bleibt ihrer Herkunft treu – nicht ihren Liebhabern und Ehemännern. Sie nimmt das Fatum ihrer Tötung an, so wie sie ihre Orakelsprüche annimmt, vergleichbar den antiken Helden der Mythologie, die den Tod akzeptierten, ohne ihn zu wünschen. (Selbst Sokrates verweigerte bekanntlich die Flucht, weil er die Stimme der Polis für wichtiger hielt als die innere Stimme seines »Daimon«.) Carmens Tod erinnert darum eher an das einsam-trotzige Sterben der Antigone im Felsengrab, als an den Liebestod der Isolde: an einen Tod, der nicht – per amorem fati – gewünscht oder anerkannt, sondern einfach erreicht wird, wie das Ziel eines Weges.

1. In der Arena

Dieses Ziel liegt – nach der Novelle – in einer verlassenen Schlucht, für die Oper Bizets jedoch in der Arena von Sevilla; der Stierkampf repräsentiert das mythische Motiv, das Bizet und seine Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy in den Vordergrund gerückt haben. Stierkulte sind tatsächlich sehr alt: Bilder von Stieren finden sich bereits auf den Wänden der eiszeitlichen Kulthöhlen, beispielsweise von Altamira. In Knossos (Kreta) wurden Wand- und Vasenmalereien entdeckt, auf denen Kämpfe mit einem Stier dargestellt waren; in Gestalt eines verführerischen Stiers hatte ja auch Zeus die Nymphe Europa nach Kreta entführt. Wegen ihrer sichelförmigen Hörner, die an die Mondsichel erinnerten, galten die Stiere einst als bevorzugte Opfertiere der »Großen Mutter«; nach der kühnen These des Berliner Wirtschaftshistorikers Eduard Hahn (aus dem Jahr 1896) sollen die Rinder generell aus kultischen Gründen domestiziert worden sein.

Berichte von unblutigen Stierspielen werden auch aus Ägypten und aus den altorientalischen Hochkulturen überliefert. In Spanien begann der Stierkampf vermutlich als Fruchtbarkeits- und Hochzeitsritual: Die Männer mußten sich vor der Hochzeit einem Stier nähern und ihn berühren, um sich dessen Zeugungskraft anzueignen, während die Bräute aus den Fenstern kleine Speere auf die Tiere warfen, bis sie bluteten. Später wurden die Stierkämpfe als aristokratische Reiterspiele zu festlichen Anlässen veranstaltet: Auf Pferden kämpften die Adeligen mit Spießen, Lanzen, Schwertern und Dolchen, die ihnen von Reitknechten – den »churros« – gereicht wurden, gegen die Stiere.

Erst im 18. Jahrhundert emanzipierten sich die »churros« von ihren Herren; die bürgerliche Revolution wurde gleichsam auch in der Arena vollzogen. Die ehemaligen Knechte übernahmen die Hauptrolle; aus den Trachten der »churros« entwickelte sich die Strahlenkleidung der Toreros, während die Reiter – die »picadores« – nur noch als Statisten der Inszenierung fungierten. Die Reform der Stierkämpfe wurde zuerst in der andalusischen Stadt Ronda vollzogen – einer Stadt, die auch in Mérimées Novelle erwähnt wird: »Carmen war uns dorthin vorausgegangen.« [89] In Ronda wurde die erste »Plaza de Toros« 1785 – aus Holz – errichtet; in Ronda etablierte sich auch die erste moderne Dynastie von Toreros: Francisco Romero (1698-1763), sein Sohn Juan (~1722-1824) und sein Enkel Pedro (1754-1839). Pedro Romero soll in seiner Laufbahn mehr als 5.000 Bullen getötet haben; bei seinem letzten Kampf war er angeblich 84 Jahre alt. (Zwischen 1795 und 1798 malte Goya übrigens ein Porträtbild Pedros, das heute im »Kimbell Art Museum« in Fort Worth/Texas hängt.)

In der Novelle Mérimées kommt dem Torero Lucas keine besondere Bedeutung zu. Für Carmen ist er eine flüchtige Affäre; und kurz nachdem der Matador dem Stier die »divisa« – eine Schleife, an deren Farbe die Herkunft des Stiers erkannt werden kann – abgerissen hat, um sie Carmen zu überreichen, wird er vom Stier überrannt. Don José bemerkt, halb verächtlich, der Stier habe ihn gerächt. Ganz anders die Oper. Escamillo tritt schon bald als umjubelter Held in Erscheinung; im späteren Zweikampf besiegt er Don José, um ihn – welche Demütigung – zu verschonen: »Sachte, dein Leben gehört mir, aber im Grunde ist mein Metier, den Stier zu töten, nicht das Menschenherz zu durchbohren.« [165] Er triumphiert in der Arena, und betritt im Schlußmoment die Bühne, als sich Don José über die getötete Carmen wirft.

Bizets Oper verschränkt den Stierkampf und die Ermordung Carmens zu einem einzigen Geschehen. Kurz nachdem der Stier erstochen wurde, fällt auch Carmen. Während der Chor noch den Sieg Escamillos in der Arena feiert, verschmilzt sie gleichsam mit dem Tier – und insgeheim verwandelt sich das Kampfspiel in ein Opferritual. Carmen provoziert ihre Tötung, indem sie den Ring wegwirft, den ihr Don José als Liebespfand gegeben hat. Auf ähnliche Weise mußten die Stiere – bei den antiken Ritualen der »Buphonien« in Athen – ihren Opfertod besiegeln, indem sie vom heiligen Getreide am Altar fraßen. Carmens Tod gewinnt seine mythische Evidenz in der Synchronisation mit der Stiertötung – und unterscheidet sich darin von christlichen Opferidealen. Carmen erlöst niemand und wird nicht erlöst (auch wenn Bizets Musik »erlösen« mag, wie Nietzsche behauptete). In ihrer Geschichte manifestieren sich mythische Motive, diesseits und jenseits der christlichen Religion. Darauf verweist schon ihr Name.

2. Carmens Name

Carmen trägt – wie alle mythischen Persönlichkeiten – nur einen einzigen Namen; Don José wird bei Mérimée auch mit seinem Nachnamen Lizzerrabengoa vorgestellt. Was bedeutet der Name? In einer verbreiteten Einführung zu Mérimées Novelle schreibt Günter Metken: »Carmen – lateinisch Lied und Zauber. So hat man es auch im Ohr: schmetternde Ouvertüre, Wachaufzug, Torerolied, lockende, dunkle Mezzotöne der Zigeunerin und die betörend schöne Blumenarie Don Josés, von Thomas Mann kunstvoll als Liebeswerben zwischen Hans Castorp und Madame Chauchat in der Glasglocke des Zauberbergs verwandt.« [81 f.] Lied und Zauber? Mag sein, doch Carmen ist auch ein ganz üblicher Vorname in Spanien; etymologisch wird er abgeleitet von der »Virgen del Carmen«, der Jungfrau vom Berge Karmel.

Karmel heißt ein Berg in Palästina, der – nach den Erzählungen im ersten »Buch der Könige« – mit dem Kampf des Propheten Elias gegen den tyrischen Baalskult assoziiert ist. Der phönizische Baal wurde häufig – beispielsweise in Karthago – in Gestalt eines Stiers verehrt; zugleich galt er als Gottheit des Meers und Schutzherr der Seefahrer. Elias besiegte ihn nach einem »Opferduell« auf dem Berg Karmel und reklamierte das Gebiet für den Jahwe-Kult. Viel später erinnerten sich die Kreuzfahrer – nach der grausamen Eroberung Jerusalems im Jahre 1099 – an diese Elias-Legende und gründeten auf dem Berg, dessen Name wörtlich übersetzt »Baumgarten« bedeutet, eine Gemeinschaft von Einsiedlern. Aus dieser Gemeinschaft entwickelte sich der marianisch orientierte Karmeliter-Orden, »Ordo Fratrum Beatae Virginae Mariae de Monte Carmelo«, der 1226 von Papst Honorius III. genehmigt – und 1253 unter die Bettelorden eingereiht – wurde. Nach der Rückeroberung Palästinas durch die Sarazenen mußten die Ordensbrüder freilich nach Europa zurückkehren.

In Europa fand die Geschichte eine wundersame Fortsetzung. Wie die meisten Bettelorden wurden die Karmeliter heftig angegriffen; und bereits wenige Jahrzehnte nach der päpstlichen Anerkennung wurde ein Verbot des Ordens erwogen. In dieser prekären Situation soll die Gottesmutter selbst dem Papst erschienen sein, um ihn aufzufordern, den Orden zu schützen. Zur selben Zeit sei sie auch dem damaligen Ordensgeneral Simon Stock erschienen und habe ihm am 16. Juli 1251 ein »Skapulier«, ein Schultertuch überreicht, das ihren Schutz – wie ein Stück des Marienmantels – verkörpern sollte. Am 3. März 1322 verkündete Papst Johannes XXII. in seiner Bulle »Sabbatina«, die Gottesmutter habe ihm versprochen, wer das Skapulier trage, die standesgemäße Keuschheit beachte, täglich mehrmals zu Maria bete und an jedem Mittwoch, Freitag und Samstag zu ihren Ehren faste, den werde sie am ersten Samstag nach seinem Tode aus dem Fegefeuer befreien. Die »Sabbatina« ist bis heute gültig geblieben; noch in einer Generalaudienz am 12. September 2001 richtete Papst Johannes Paul II. seine Grußworte nicht nur an die Opfer der Terroranschläge von New York, sondern auch (und kaum weniger ausführlich) an die anwesenden Pilger, die das 750. Jahr nach der Übergabe des Skapuliers feierten.

Am Jahrestag der himmlischen Intervention beim Papst und der Überreichung des Skapuliers – am 16. Juli – wird bis heute das Fest der »Virgen del Carmen« begangen, insbesondere in Spanien und Lateinamerika mit großem Aufwand. Da die »Virgen del Carmen« als Schutzpatronin der Fischer und Seeleute angesehen wird, finden in allen Küstenorten Meeresprozessionen statt, bei denen – zur Freude auch der Touristen – ein Bildnis der »Virgen« in reich geschmückten Booten gezeigt wird. Die »Virgen del Carmen« – Stadtpatronin von Marbella – ist in der spanischsprachigen Welt bis heute so populär geblieben, daß Mädchen, die – aus Respekt vor der Gottesmutter – nicht Maria genannt werden, den Vornamen Carmen erhalten.Davon ist in der Oper nicht die Rede. Doch in der Novelle sagt Don José zu Carmen, kurz vor ihrer verabredeten Flucht: »Von mir aus, meine Liebe, versucht es, die Heilige Maria vom Berge (»Notre Dame de la Montagne«) mag Euch beistehen!« [63] Die Anspielung auf den Namen Carmens ist offensichtlich, beinahe ebenso offensichtlich wie die Assoziationen Don Josés bei seiner ersten Wiederbegegnung mit Carmen nach der Gefängnishaft: »Diesmal war sie geschmückt wie eine Reliquie, mit Troddeln, herausgeputzt, ganz und gar golden glitzernd. Ein Paillettenkleid, blaue Schuhe, auch mit Pailletten, Blumen und Borten überall.« [69]

3. Carmens »Reconquista«

Die Popularität der »Virgen del Carmen« in Spanien verdankte sich gewiß auch den Reformen des Karmeliterordens, die gerade durch die spanische Mystik – durch Teresa de Ávila (1515-1582) und Juan de la Cruz (1542-1591) – vollzogen wurden. Gemeinsam erneuerten sie die strenge Ordensregel freiwilliger Armut, weshalb die Karmeliter in der Bevölkerung bald die »Beschaulichen« oder »Unbeschuhten« genannt wurden. In den Gedichten und Traktaten der beiden Heiligen – beispielsweise in der 1618 erstmals gedruckten »Subida al Monte Carmelo« von Juan de la Cruz – kam eine poetisch-ekstatische Liebesmystik zum Ausdruck, die an ältere Traditionen anschloß; ein paar Jahrhunderte zuvor hatte ja die Geschichte der Mystik in Spanien begonnen.

Unter muslimischer Herrschaft erlebte Spanien im Hoch- und Spätmittelalter eine bemerkenswerte kulturelle und wissenschaftliche Blütezeit, aufgrund einer von Toleranz und intellektuellem Austausch geprägten »convivencia« zwischen den Schriftreligionen des Judentums, des Christentums und des Islams. Spanien befand sich in einer kulturellen Sonderlage, die erst durch die Berberkriege, die Pestseuchen des späten 15. Jahrhunderts und schließlich das berüchtigte »Edikt von Granada« (1492) beendet wurde, das die Vertreibung der Juden und Moslems besiegelte. Das hoch- und spätmittelalterliche Spanien vermittelte der europäischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte zahlreiche Impulse: die Übersetzungen der aristotelischen Philosophie, die indisch-arabische Zahlenschrift, sowie eine Vielzahl wissenschaftlich-technischer Neuerungen in der Optik, Astronomie oder Medizin. Als wesentliche Protagonisten dieses erfolgreichen Wissenstransfers können Gelehrte aus allen drei Hochreligionen genannt werden, die regelmäßig auch den Dialog zwischen den Religionen förderten: die Ärzte Ibn Ruschd, genannt Averroës (1126-1198), und Moses Maimonides (1135-1204), oder der »Doctor illuminatus« und Erfinder der »Ars generalis«, Raimundus Lullus (1232-1316).

In Spanien entstanden die ersten Übersetzerschulen, und fast zur selben Zeit – in allen drei Hochreligionen – die Ausdrucksformen der Mystik. So entwickelte sich im 13. Jahrhundert die spanische Kabbala: als ekstatische Mystik bei Abraham Abulafia aus Saragossa (1240-1292), aber auch als philosophisch-spekulative Disziplin. Der Sufismus, die islamische Mystik, gewann – etwa durch das umfangreiche Werk von Ibn al-'Arabi aus Murcia (1165-1240) – einen wachsenden Einfluß; und selbst ein gelehrter Philosoph und Logiker wie Raimundus Lullus verfaßte poetisch-mystische Texte, die ihn gelegentlich sogar als Ketzer erscheinen ließen.

Erst die »Reconquista«, die christliche Rückeroberung Spaniens, und wenig später auch die Gegenreformation, führten zu einem nachhaltigen Klimawechsel. Juden und Moslems mußten ihre Herkunft verschleiern oder getauft werden; Mißtrauen und Vorsicht beherrschten die Beziehungen. Auch darum verweist Don José gleich zu Beginn der Oper auf seine Herkunft: Er sei ein »vieux chrétien« [28], ein wahrer Christ, der nicht von Juden oder Arabern abstamme. Auch seinen Lebensbericht in Mérimées Novelle eröffnet er mit dem Satz: »Ich heiße Don José Lizzarrabengoa, und Ihr wißt von Spanien genug, um sofort an meinem Namen zu erkennen, daß ich Baske und christlicher Abstammung bin.« [51] Dagegen fragt der Erzähler Carmen selbst, ob sie vielleicht »Maurin« sei – und fügt hinzu, er habe nicht zu fragen gewagt, ob sie Jüdin sei [37].

Noch Carmens letztes Lied – in der Novelle, nicht in der Oper – beschwört mit dem Fatum der Herkunft eine Erinnerung an die Geschichte Spaniens; kurz vor dem Tod wendet sie sich nicht an die »Virgen del Carmen«, sondern an Maria Padilla, die »Bari Crallisa«, die »große Königin der Zigeuner« [123]. Doch wer ist Maria Padilla? Mérimée selbst schreibt in einer Fußnote, der Name beziehe sich auf die Geliebte und spätere Gemahlin des kastilischen Königs Pedro I. mit dem Beinamen »der Grausame« (1334-1369). Ganz sicher ist diese Zuordnung aber nicht, zumal Mérimée durch Donizettis Oper »Maria Padilla« (von 1841) auf eine falsche Spur gelockt worden sein könnte. Denn jene Maria Padilla, die in spanischen Abwehr- und Zauberformeln angerufen wird, ist auch die Frau des Rebellenführers Juan Padilla (1490-1521), der mit seinen sozialrevolutionären »Comuneros« gegen Karl V. kämpfte. Nach der Niederlage und Hinrichtung Juans verteidigte Maria allein – fast ein ganzes Jahr lang – die Festung von Toledo. Die heroische Geschichte der beiden Padillas und der »Comuneros« wurde in zahlreichen Liedern und Gedichten besungen.

4. Orakel und Magie

Noch 1821 wurde – innerhalb der spanischen Freimaurer – eine politisch radikale Geheimgesellschaft gegründet, die sich nach den Padillas benannte; Ferdinand VII. verfolgte sie unnachgiebig. Doch vielleicht ist es müßig, die Details hier weiter zu vertiefen. Carmens »Reconquista« ist nicht primär politisch motiviert; auch ihre magisch-religiösen Anschauungen bleiben dunkel. Während der Erzähler – gleich zu Beginn der Novelle Mérimées – ihren unglücklichen Liebhaber mit Miltons Satan vergleicht [21], bezeichnet sich Carmen ihrerseits mehrfach als Teufel; in solchem Kontext fordert sie auch den Basken auf, er möge seiner »majari« eine Kerze anzünden [77]. Die Wendung »ta majari« – deine Maria – wirft die Frage auf, ob sie vielleicht eine andere »majari« kennt und verehrt: eine »Virgen del Carmen«, die mit den schwarzen Madonnen der Zigeuner, diesen späten Töchtern der Göttin Kali (oder der phönizischen Astarte mit dem Stierkopf), verwandt ist.

Carmen operiert jedoch nicht mit Worten und Evangelien, sondern mit Dingen und Symbolen. Beim Streit in der Tabakfabrik schneidet sie ihrer Gegenspielerin »lauter Andreaskreuze« ins Gesicht [57]: das Kreuz mit den schräggestellten Balken, an dem der Apostel Andreas – nach mittelalterlicher Tradition – den Märtyrertod erlitten haben soll, ist ein bekanntes apotropäisches Symbol, das zur Abwehr von Übeln verwendet wird. Carmen ist darüber hinaus eine Expertin der Wahrsagerei, der Orakel. Um dem Erzähler in Mérimées Novelle die Zukunft zu prophezeien, öffnet sie eine Kassette mit Karten, einem Magneten und einem vertrockneten Chamäleon [41]; dem Wachoffizier wirft sie eine Kassienblüte ins Gesicht – wobei die Kassien mit ihren gelben und intensiv duftenden Blüten auch für zeremonielle Räucherungen verwendet wurden. Wenig später offeriert sie Don José, der sie gerade verhaftet hat, einen Magnetstein: »Laßt mich fliehen, ich gebe Euch eine kleine Bar Lachi, die macht, daß alle Frauen Euch lieben.« Und Don José kommentiert: »Die Bar Lachi, Herr, ist der magnetische Stein, der einem – so behaupten die Zigeuner – die verschiedensten Zauberkräfte verleiht, wenn man sich seiner zu bedienen weiß. Gebt einer Frau eine Prise davon, fein gerieben, in einem Glas Weißwein zu trinken, und sie wird Euch nicht widerstehen.« [59] Die Anziehungskraft des Magnets wird in soziale Magie übersetzt, was – von Platons »Ion« bis zu den Kuren Mesmers – häufig behauptet und praktiziert wurde.

Carmen bedient sich aber nicht nur der Pflanzen, Magneten oder Karten, sie deutet auch den Kaffeesatz: »mehr als einmal habe ich im Kaffeesatz gelesen, daß wir zusammen enden . . . was immer das heißen soll« [111], bemerkt sie zu Don José nach der Ermordung des Engländers. Die Orakelpraxis der Lektüre von Kaffeesätzen war 1845 noch ziemlich neu; sie entwickelte sich mit den Kaffeehäusern des 18. Jahrhunderts. Nach Genuß eines türkischen Kaffees wurde der Bodensatz auf die Untertasse gekippt und mehrfach angehaucht: dabei bildeten sich Figuren, die interpretiert werden konnten. Kurz vor ihrem Tod schmilzt Carmen schließlich die Bleikügelchen aus ihrem Rocksaum und gießt das flüssige Metall in eine Wasserschüssel; die dabei entstehenden Formen und Gestalten kündigen ihr das nahe Ende an.

In der Oper Bizets wird die Vielfalt der Wahrsage- und Orakelpraktiken drastisch reduziert. Carmen legt nur mehr die Karten, und immer wieder die gleiche Pik-Karte – den Tod. Das Verfahren wird nicht deutlich beschrieben: die Karten werden gemischt, abgehoben, dann werden drei und vier Karten aufgelegt. »Drei Karten hierher . . . Vier dorthin!« [143] Sieben Karten werden tatsächlich beim Zigeuner-Tarot verwendet. Die erste Karte symbolisiert die aktuelle Situation, die zweite (links neben ihr) die Wirkungen auf die äußere Welt, die dritte (rechts neben der ersten Karte) die verborgenen Ängste: »was dich schreckt«, die vierte (links neben der zweiten Karte) die Wünsche: »was dich treibt«, die fünfte (rechts neben der dritten Karte): »was dir bleibt«, die sechste (links neben der vierten Karte): »was dir die Zukunft bringt«, und die siebente, letzte Karte (rechts neben der fünften Karte): »was dich zu Boden zwingt«. Im Jahr 1875, dem Jahr der Uraufführung der Oper, war der Tarot sehr populär; in diesem Jahr starb Eliphas Levi – Pseudonym des Abbé Alphonse-Louis Constant –, der den Tarot als hohe Kunst ägyptischer Magie mehrfach dargestellt hatte. 1889 erschien schließlich das umfangreiche Werk eines Okkultisten und Arztes namens Gérard Encausse (genannt »Papus«): »Le Tarot des Bohémiens«.

5. Wunder des Tabaks

Carmen ist nicht nur Wahrsagerin und Zauberin; sie ist auch ganz schlicht Fabrikarbeiterin in einer Tabakmanufaktur: als »cigarrera«, die Zigarren wickelt, rollt und schneidet. Mit dem Messer, das sie braucht, um den Zigarren die Spitze abzuschneiden [57], ritzt sie die erwähnten »Andreaskreuze« ins Gesicht ihrer Rivalin. Wie die meisten Tabakarbeiterinnen raucht Carmen selbst; den »cigarreras« war es nämlich erlaubt, während ihrer Arbeit Zigarren zu rauchen oder Tabak zu kauen. Außerhalb der Fabrik bevorzugt Carmen dagegen die »papelitos«, eine Art von Zigaretten [34]. Zigaretten setzten sich gegen Pfeifen und Zigarren nur langsam durch; zwar begannen die Bettler Sevillas schon im 16. Jahrhundert, Zigarrenreste zu sammeln, zu zerkleinern und in Papierröllchen zu rauchen, doch hielt noch Casanova die Begegnung mit einem Gastwirt in Madrid für erwähnenswert, der »cigarritos« rauchte. Erst die maschinelle Produktion (für den Krieg) ermöglichte den kulturellen Siegeszug der Zigaretten.

Seit 1730 war die spanische Tabakproduktion königliches Monopol und wesentliche Einnahmequelle der Krone. Möglichkeiten des Schmuggels wurden streng unterbunden, was sich auch in der Architektur der »Fabrica real de tabacos« in Sevilla ausdrückte. In seiner Studie zur Kulturgeschichte des Tabaks schreibt Detlef Bluhm: »Der 1747 vom flämischen Baumeister Wanderbour begonnene Bau gehörte mit seinen 250 Metern Länge und 80 Metern Breite zu den monumentalsten Profanbauten Spaniens. Das zitadellenartige Gebäude wird durch Festungsgräben, steinerne Wachhäuser und gigantische Außengitter geschützt. Das königlich-spanische Monopolunternehmen verfügte über eine eigene Rechtsprechung und ein eigenes Gefängnis.« Und er resümiert: »Es gibt wohl weltweit keine andere Fabrik, die so prunkvoll und wehrhaft erbaut wurde.« [90]

Ab 1812 arbeiteten in dieser Fabrik die »cigarreras«, die – leicht bekleidet aufgrund der Hitze – die erotischen Phantasien der Zeitgenossen aufstachelten. Schon Théophile Gautier hatte in seiner »Voyage en Espagne« (von 1843) die überwältigende Melange aus Hitze, Geruch, Lärm und spärlich bekleideten Frauen in den Sälen der Fabrik geschildert; und noch 1894 schwärmte Maurice Barrès im Reisebericht »Du sang, de la volupté, et de la mort«: »Fünftausend Sevillanerinnen in diesen ständig durch Wasser gekühlten und mit einem erregenden Tabakstaub besäten Werkstätten; sie sind halb nackt und zeigen (mit derselben Unbefangenheit wie ihre unvergleichlichen Augen, ihr schönes Haar oder ihre kleinen braunen Hände) runde Arme, goldbraune Brüste, Waden und da und dort auch jene Kleinode, deren Namen zu sehr der Anmut entbehren, als daß ich dies Bild mit ihnen entweihen möchte«. [88 f.]

Die Realität sah ganz anders aus. Die »cigarreras« wurden – bei harter Arbeit – schlecht bezahlt. Nach Gautier erhielten sie vier bis sechs Reales am Tag; zwanzig Reales ergaben damals bloß einen Peso. Gerade darum waren die Fabrikarbeiterinnen keineswegs nur zigarrenrollende »Nymphen«, die gleichsam die Reiseberichte von Schriftstellern mit pikanten Details anzureichern verstanden, sondern auch politisch selbstbewußte und emanzipierte Frauen. Drei Jahre vor Erscheinen der Novelle Mérimées veranstalteten sie beispielsweise eine der größten spontanen Straßendemonstrationen Sevillas, um gegen die sozialen und hygienischen Arbeitsbedingungen in der Tabakindustrie zu protestieren. Auch in dieser Hinsicht ist Carmen also eine Tochter der Rebellin Maria Padilla, und nicht nur der mutmaßlichen Zauberin und Gemahlin König Pedros.

Naturgemäß wird auf der Opernbühne nicht geraucht. In der Novelle wird dagegen ebenso häufig geraucht wie in den Hollywood-Filmen der Vierziger- und Fünfzigerjahre. Kaum trifft der Erzähler auf Don José, schon offeriert er ihm eine Zigarre – eine »echte Regalia aus Havanna«. Das Geschenk wird mit Vergnügen akzeptiert; es soll zugleich den Geber vor dem Fremden – und potentiellen Räuber – schützen, denn in »Spanien stellt eine angebotene und angenommene Zigarre eine gastfreundliche Beziehung her, wie im Orient das Teilen von Brot und Salz.« [13] Geraucht wird noch bei manchen anderen Gelegenheiten, etwa im Gefängnis, in dem Don José seine Hinrichtung durch die Garotte erwartet – und die Geschichte Carmens erzählen wird. »Ich ging also den Gefangenen besuchen, bewaffnet mit einem Päckchen Zigarren, die es ihm erleichtern sollten, mir meine Zudringlichkeit nachzusehen. [...] Er zählte die Zigarren in dem Päckchen, das ich ihm gegeben hatte, nahm eine bestimmte Anzahl davon heraus und gab mir den Rest wieder, mit der Bemerkung, mehr brauche er nicht.« [47 f.]

6. Carmen im Film

»Mehr brauche ich nicht«: Die eben zitierte Szene könnte aus einem Film stammen. Carmen, ein Mythos? Diese Frage erschließt sich auf Umwegen; und ein letzter Umweg führt zum Film. In gewisser Hinsicht war ja die Oper der Film des 19. Jahrhunderts – und der Film die Oper des 20. Jahrhunderts. Beide Gattungen operierten häufig mit Texten, die erst in Librettos oder Scripts verwandelt werden mußten; beide Gattungen bemühten sich um mythische Stoffe, um eine wirkungsvolle Integration von Musik, Bild und Schauspiel, mit Hilfe von Techniken der Inszenierung, der Requisiten, der Beleuchtung, der Montage. Mehr als viele andere Werke der Musikgeschichte ist die Oper Bizets eigentlich selbst schon eine Art von Film, eine »Verfilmung« der Novelle Mérimées, die im 20. Jahrhundert notwendig nicht nur auf Opernbühnen, sondern auch im Kino aufgeführt werden mußte.

Die Geschichte der weit über fünfzig Carmen-Filme beginnt früh – bald nach der Jahrhundertwende – mit einer Serie von Stummfilmen, die freilich niemals stumm, sondern stets mit musikalischer Begleitung gezeigt wurden. Nach mehreren Vorläufern (etwa aus den Jahren 1909, 1912 und 1913) drehte Cecil B. DeMille bereits 1915 einen aufwendigen Ausstattungsfilm (mit Geraldine Farrar als Carmen); noch im selben Jahr kam Raoul Walsh mit einer ersten »Carmen« heraus, der er 1927 »The Loves of Carmen« (mit Dolores del Rio in der Titelrolle) folgen ließ. 1916 produzierte Chaplin eine Carmen-Parodie (»Charlie Chaplin's Burlesque on Carmen«), und 1918 erschien der vielleicht bedeutendste Carmen-Stummfilm, unter der Regie von Ernst Lubitsch (mit Pola Negri). 1926 schließlich drehte Jacques Feyder eine »Carmen« (mit Raquel Meller), in der er sich enger an Mérimées Vorlage zu halten versuchte als Lubitsch oder Walsh. Der Durchbruch zum Tonfilm erlaubte danach eine Reihe von Opernverfilmungen, bevor Otto Preminger – mit »Carmen Jones« von 1954 – den Versuch unternehmen konnte, die Handlung in die Gegenwart eines schwarzen Army-Camps zu transponieren und die Musik Bizets mit Texten von Oscar Hammerstein zu unterlegen. Die Rolle der Carmen spielte Dorothy Dandridge, den José/Joe Harry Belafonte.

Anfang der Achtzigerjahre kam es neuerlich zu einem regelrechten Carmen-Boom. Peter Brook drehte 1983 »La Tragédie de Carmen« als grandiosen Ballettfilm zur Opernmusik (unter Verzicht auf die Chöre); und im selben Jahr verfilmte Francesco Rosi die Oper Bizets – mit Julia Migenes und Placido Domingo – an originalen Schauplätzen in Spanien, beispielsweise in der Stierkampfarena. Die nach Bizets Tod komponierten Rezitative Ernest Guirauds wurden wieder durch gesprochene Dialoge ersetzt; die Choreographie des Films gestaltete Antonio Gades. Der weltberühmte, vor wenigen Monaten – am 20. Juli 2004 – verstorbene Flamenco-Tänzer hatte bereits einschlägige Erfahrungen gesammelt, und zwar in der Zusammenarbeit mit Carlos Saura bei der Lorca-Verfilmung »Bodas de sangre« (1981). Ebenfalls 1983 kam das zweite Ergebnis der engen Kooperation zwischen Gades und Saura in die Kinos – noch einmal »Carmen«, deren Geschichte nun in einer zeitgenössischen Flamenco-Schule angesiedelt war. Laura del Sol spielte – neben Gades und Paco de Lucia – die Hauptrolle; Paco de Lucia verantwortete auch die Musik.

Besonders in Deutschland erzielte Sauras »Carmen« einen gewaltigen Publikumserfolg; der Film erntete geradezu euphorische Ovationen bei der Kritik. Weit weniger beachtet wurde dagegen der vierte »Carmen«-Film des Jahres 1983, Jean-Luc Godards »Prénom Carmen« (mit Maruschka Detmers). Auch Godard hatte die Handlung aktualisiert; seine Version der »Carmen« handelt von einem gescheiterten Bankraub, bei dem Carmen den Wachmann Joseph (Jacques Bonnaffé) küßt, um anschließend mit ihm in das Haus ihres Onkels (gespielt von Godard selbst) zu flüchten. Dort will sie einen Film drehen. Godard ersetzte in »Prénom Carmen« die Musik Bizets durch Beethovens späte Streichquartette; und in gewisser Hinsicht führte er in seinem Film auch eine persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte: vor allem mit Anna Karina, seiner ersten Carmen in »Pierrot le Fou« (1965) und mehrjährigen Ehefrau.

Die Liste der Carmen-Filme ist lang. Dabei wurden zahlreiche Versionen noch gar nicht erwähnt, etwa Charles Vidors »Loves of Carmen« mit Rita Hayworth und Glenn Ford von 1948, Juliet Bashores »Kamikaze Hearts« von 1986 oder Laurie Andersons Carmen-Video von 1993. Noch schwerer erfaßbar sind die zahllosen impliziten Carmen-Filme, die gleichsam mit einzelnen Motiven Mérimées und Bizets spielen, ohne sich auf die literarisch-musikalische Vorlage ausdrücklich einzulassen; so hat etwa Alfred Hitchcock eine Reihe pseudonymer »Carmen«-Filme gedreht – von »Notorious« (1946) bis »Vertigo« (1958), von »To Catch a Thief« (1955) bis »Marnie« (1964), und von »Paradine Case« (1947) bis »North by Northwest« (1959). Carmen ist ein neuer Mythos. Auch und gerade im Kino demonstriert dieser neue Mythos – filmgeschichtlich wesentlich attraktiver als Don Juan oder Tristan – seine unverminderte Ausstrahlungskraft. – »Ah! Carmen! Ma Carmen adorée!« [196]



Anmerkung zu den zitierten Texten


Nach Seitenzahlen wird im Text zitiert: Georges Bizet: Carmen. Französisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von Henning Mehnert. Stuttgart: Reclam 1997, sowie: Prosper Mérimée: Carmen. Übersetzt von Kristian Wachinger. München: dtv zweisprachig 1995.

Der zitierte Text von Günter Metken bildet das Nachwort zu: Prosper Mérimée: Carmen. Übersetzt von Wilhelm Geist. Stuttgart: Reclam 1963. Seite 79-86.

Erwähnte Texte: Detlef Bluhm: Auf leichten Flügeln ins Land der Phantasie. Tabak und Kultur von Columbus bis Davidoff. Berlin: Transit 1997.

Eduard Hahn: Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen. Eine geographische Studie. Leipzig: Duncker & Humblot 1896.

Papus: Tarot der Zigeuner, zum ausschließlichen Gebrauch durch Eingeweihte. Der absolute Schlüssel zur Geheimwissenschaft. Übersetzt von Agnes Klein. Schwarzenburg: Ansata 1979.